Fernsehsender "9 Live" führt Bonus-Programm ein: Rechtliche Probleme
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Der bekannte Fernsehsender "9 Live" hat nach eigenen Angaben ein neues Bonus-Programm namens "9 Gold" eingeführt.
Der Zuschauer kann sich registrieren und sammelt so beim Fernsehsender pro Anruf eine gewisse Anzahl von Punkten ("Goldies" genannt). Ab einer
bestimmten Anzahl von Goldies kann der Zuschauer dann diese gegen Prämien eintauschen wie z.B. Gratis-Anrufe, potentielle Verdopplung des Gewinns, T-Shirts, Stofftiere und sonstiges.
Mit der Einführung dieses Bonus-Programms stellt sich aus juristischer
Sicht erneut die Frage, ob hier nicht evtl. eine unzulässige Kopplung
zwischen Gewinnspiel und Waren bzw. Dienstleistungen des Fernsehsenders
vorliegt. Und ob nicht in der zusätzlichen Prämierung ein
wettbewerbswidriges, übertriebenes Anlocken gesehen werden könnte.
Zum letzten Punkt, dem "übertriebenen Anlocken", hat der BGH vor einiger
Zeit erneut Stellung genommen und ausdrücklich betont, dass die
Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, grundsätzlich
nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Wettbewerbs ist, vgl.
die Kanzlei-Infos v. 25.09.2004 . Insofern wird man unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kaum eine Wettbewerbswidrigkeit herleiten können.
Der zweite Punkt, das Kopplungsverbot, ist dagegen nicht so klar. Zwar ist
auch hier der BGH zunehmend liberaler und verneint eine Kopplung, zuletzt
z.B. bei der kostenlosen Beigabe zu einer Jugendzeitschrift, vgl. die
Kanzlei-Infos v. 24.09.2005. Das neue Bonus-Programm wirft aber die alte, nach wie vor unbeantwortete Frage auf, ob Gewinnspiele mit Mehrwertdiensten aufgrund Kopplung nicht generell unzulässig sind.
Zu 0190-Rufnummern gibt es hierzu mehrere Gerichtsentscheidungen. Das LG
Dortmund (Beschl. v. 25.04.2001 - Az.: 20 O 27/01), das LG Hamburg
(Beschl. v. 08.01.2002 - Az: 406 O 7/02 =
http://shink.de/c1vvh) und das
LG Memmingen (Urt. v. 10.05.2000 - Az.: 1 H 2217/99 =
haben derartige Gewinnspiele als Verstoß gegen § 3 UWG angesehen und die Veranstaltungen verboten. Vgl. dazu grundlegend den Aufsatz von RA Dr. Bahr "Gewinnspiele - Glücksspiele mit Mehrwertdienste
Rufnummern"
Zu 0137-Rufnummern dagegen, wie 9 Live sie z.B. benutzt, liegen zu dieser Problematik bislang keine Entscheidungen vor. Die einzigen Urteile, die existieren, betreffen die strafrechtliche Seite (LG Freiburg, Urt. v.
12.05.2005 - Az.: 3 S 308/04 oder die Frage, ob ein Teilnahmeanspruch besteht (OLG München, Urt. v. 28.07.2005 - Az: U(K)
1834/05
Da bei 9 Live grundsätzlich keine alternative Teilnahmemöglichkeit außer
der telefonischen besteht, kann mit guten Argumenten von einem
Kopplungsverstoßt ausgegangen werden. Zumal das neue Bonus-Programm -
jedenfalls nach eigenen Angaben - nur bei der telefonischen Variante
greift.
Ebenso zu hinterfragen ist der Umstand, dass durch diese neue Prämierung
bewusst der Zuschauer zur mehrfachen Teilnahme besonders motiviert wird.
Denn nur so kann er die "Goldies" sammeln und die Prämien in Anspruch
nehmen.
Gegen eine solche erhöhte Aufforderung der mehrfachen Teilnahme haben sich vor einiger Zeit ausdrücklich die Landesanstalt für Kommunikation
Baden-Württemberg (LFK) und die Bayerische Landeszentrale für Medien (BLM) in ihrem ?Leitfaden für TV-Gewinnspieleâ?? ausgesprochen. Dort heißt es wörtlich:
"Zwar ist die Aufforderung zum Mitmachen generell zulässig, allerdings
soll auf eine übersteigerte Motivation zum Anruf verzichtet werden. Um die
Akzeptanz der Call-in-Formate für die Zukunft zu erhalten, ist auf die
Aufforderung zu wiederholtem Anrufen zu verzichten."
Es gilt jedoch zu beachten, dass sowohl die Äußerungen der LFK als auch
der BLM keine rechtliche Bindungswirkung haben, sondern lediglich
Empfehlungen darstellen.
Die Rechtslage bleibt somit weiterhin unklar. Auf weitere
Gerichtsentscheidungen darf mit Spannung gewartet werden.
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Fernsehsender 9 Live) erhalten Sie im kürzlich erschienenen Buch von RA
Dr. Bahr "Glücks- und Gewinnspielrecht". Unter
Gewinnspiel & Recht finden Sie online zahlreiche weitere Infos, Downloads
und Checklisten zum Buch
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