Pflicht zur Gegendarstellung - Verfassungsgericht stärkt Pressefreiheit
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil das Recht auf Gegendarstellung bei Äußerungen mit verschiedenen Lesarten gestärkt.
Sofern ein journalistischer Text mehrdeutig formuliert ist und mehrere verschiedene Lesarten zulässt, wird es künftig schwieriger, in diesem Fall eine Gegendarstellung zu erwirken. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Im konkreten Fall hatte die Zeitschrift "Der Spiegel" geklagt, da die Redaktion eine Gegendarstellung veröffentlichen musste,
obwohl sie sich mit ihrer Aussage vage hielt. Im Blatt hatte es geheißen "immer wenn das Geld knapp wurde, fanden sich auf wunderliche Weise stattliche Wertpapierdepots".
In diesem Fall spricht das Bundesverfassungsgericht den "Spiegel" von der Verpflichtung zur Gegendarstellung frei, da es hier nicht eindeutig sei,
"ob hinter der offenen Aussage auch eine versteckte steht". Das Gericht argumentiert, bei der Klärung eines Gegendarstellungsanspruchs sei auch zu klären, ob darin ein Einschüchterungseffekt für das journalistische Organ besteht. Dieser lasse sich nicht vermeiden, wenn bereits eine mehrdeutige Aussage das Recht auf eine Gegendarstellung erwirke.
Für das Bundesverfassungsericht wiegt in diesem Fall einer mehrdeutigen Aussage die Pressefreiheit hoch. So sei auch zu berücksichtigen "dass der Abdruck einer Gegendarstellung einen nur schwer ausgleichbaren Imageschaden für das zum Abdruck verpflichtete Presseunternehmen bewirken kann. Die bei einer Verurteilung zum Abdruck der Gegendarstellung offen bleibenden Fragen der Wahrheit und Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung vermag die Leserschaft regelmäßig selbst nicht zu klären", argumentiert das Gericht.
Eine zu rigide Auslgegung des Rechts auf Gegendarstellung könnte in den Augen des Bundesverfassungsgerichts
zu Defiziten in der freien Berichterstattung führen, da Rechercheergebnisse ohnehin selten abschließend veröffentlicht werden könnten, so dass
Raum für Mutmaßungen bleibe, welche weiteren Details mit dem Berichteten zusammenhängen könnten. Maßstab sollte laut Bundesverfassungsgericht sein, "ob sich eine im Zusammenspiel der offenen Aussagen enthaltene zustäzliche eigene Aussage dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen muss", oder ob es lediglich eine mögliche unter vielen Lesarten ist.
Hervorgebungen von mir
Quelle: DWDL